Cedric Rutishauser ist Leiter Unternehmensentwicklung oder Neudeutsch Head of Corporate Development bei der Firma INFORS HT. Das KMU in Bottmingen produziert seit mehr als 55 Jahren Schüttler und Bioreaktoren und beschäftigt heute weltweit über 250 Mitarbeitende. INFORS HT zählt zu den besten Spezialisten für High-Tech Geräte in der Biotechnologie, die Produkte des Unternehmens werden in Labors auf der ganzen Welt eingesetzt.
Einen Leiter Unternehmensentwicklung gibt es bei INFORS HT erst seit Ende 2021. Cedric wurde dafür angestellt, diese Funktion zu gestalten und auszufüllen. Dazu zählt auch das Qualitätsmanagement, das einen neuen Anstrich bekommen sollte als ISO-zertifiziertes Unternehmen.
Cedric, Du bist seit November 2021 als «Head of Corporate Development» bei INFORS HT. Was macht ein Head of Corporate Development?
Was sagen Eure Leute heute, wenn man fragt, was der Head of Corporate Development bei INFORS HT macht?
Und wie beschreibst Du selbst Deine Funktion?
Wie sieht ein typischer Arbeitstag von Dir aus?
Das heisst also, dass die Mitarbeitenden nachmittags an Workshops teilnehmen, seit es Dich gibt bei der INFORS HT. Wie gehen die Leute damit um, dass sie jetzt neben der Arbeit in der Produktion zusätzlich Zeit für Workshops einplanen müssen?
Die INFORS HT hat einen sehr guten Ruf und es gibt viel zu tun. Warum ziehen die Leute trotz viel Arbeit bei den Veränderungen mit bei Euch?
Du hast zuvor auch als Berater gearbeitet, kamst zur INFORS HT für eine neue Funktion, die vorher keiner kannte, bist darin direkt dem CEO unterstellt, führst neue Workshops ein… Wie hast Du es geschafft, auf allen Ebenen im Unternehmen akzeptiert zu werden?
Wir haben zum Beispiel unsere Prozesslandschaft ganz neu abgebildet mit dem Ziel, «Gärtchendenken» zu reduzieren und die Zusammenarbeit zu verbessern. Zum Teil wird das tatsächlich schon so gelebt. Es gibt natürlich auch Silos bei uns. Dort, wo es Sinn macht, versuchen wir, mehr Zusammenhänge herzustellen.
Ein Beispiel dafür ist unser Produktänderungs- bzw. Produktentwicklungsprozess. Produktentwicklungen betreffen zuerst unsere Ingenieure und Konstrukteure. Die Änderungen haben aber auch Einfluss auf unsere Lieferanten und schliesslich müssen wir unseren Kunden erklären, was anders oder neu ist. Bislang hat das irgendwie funktioniert, es gab dabei Doppelspurigkeiten oder auch mal Unzufriedenheit. Mit der neuen Prozesslandschaft klären wir das – das bringt Ruhe rein.
Mein Job ist es auch, die Leute verschiedener Bereiche zusammenzubringen und dazu zu bewegen, ihre Probleme anzusprechen, anstatt die Faust im Sack zu machen. Ich helfe dabei, solche Konflikte sichtbar zu machen. Schlussendlich will ja jeder, dass es floriert und Spass macht. Damit kann man die Leute einfangen. Das ist wie mit einem kleinen Kind zuhause…
Das klingt nach einem anstrengenden Job…?
Gehen mit Deiner Funktion auch strukturelle oder kulturelle Veränderungen bei Euch einher?
Neu ist, dass bei Konflikten nicht weggeschaut wird. Da ist jetzt jemand – nämlich ich –, der den Ball aufnimmt und eine Entscheidung einfordert. Es ist klar, was unsere Richtung ist, es ist verbindlicher. Es wird mehr nachgefragt, wie Prozesse laufen.
Mehr Hierarchie – das ist ein Gegensatz zum aktuellen Trend mit Schlagworten wie Agilität und Co., wo eher propagiert wird, Hierarchien abzubauen.
Gibt es bei Euch jetzt noch agiles Arbeiten?
Wir machen mit den fünf Geschäftsleitungsmitgliedern, den 13 Bereichsleitern und nach Bedarf Teamleitern einmal im Quartal einen halbtägigen Workshop und anschliessend 90-tägige Sprints. Der Workshop zu Beginn ist der «Basar» für Ideen, die Teilnehmenden formulieren dann für ihre Projekte ihre Sprints und definieren, ob sie das mit dem eigenen Team allein machen. Wenn nicht, müssen Abhängigkeiten zu anderen Teams sichtbar gemacht werden. Wenn sich dann Aufgaben an bestimmten Ressourcen kumulieren, merken wir das und können reagieren und Prioritäten setzen.
Wie seid Ihr zu diesem Vorgehen gekommen?
Was sind Deine Erfahrungen mit dieser Art des agilen Arbeitens bei Euch?
Ich moderiere die Workshops und musste lernen, ergebnisoffen zu sein. Manchmal erwartet man ein bestimmtes Workshop-Ergebnis und während der Arbeit merkt man, dass man sich davon lösen muss.
Das Neugestalten liegt Dir offensichtlich. Was sind Deine Herausforderungen?
Bevor ich kam, gab es ein Qualitätsmanagement, das zwar viel Wissen vereinte, jedoch nicht mit dem Unternehmen verzahnt war. Ich bin aus ISO-Sicht QM-Verantwortlicher. In Zukunft bin ich für das Qualitätsmanagementsystem verantwortlich, daneben schaffen wir eine neue Stelle für das operative QM, das wir Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung nennen.
Warum habt Ihr Euch entschieden, die Verantwortung für das QM-System und für Qualität im operativen Bereich zu trennen?
Früher war man als QM etwas überspitzt ausgedrückt «Dienstbote für alles» im Sinne von «um das, wozu die Linie keine Lust hat, soll sich das QM kümmern». Wir sind der Überzeugung, dass man Qualität nicht «hinein kontrollieren» kann. Darum bedarf es meiner Rolle als Verantwortlicher für das QM-System mit den Prozessen als Hauptinstrument. Dort wirkt der Geist der Unternehmensentwicklung.
Wir haben und möchten Prozesse, die von der Basis gelebt werden. Qualitätsaufgaben wie zum Beispiel Produktionstests, Wareneingangskontrolle, Entwicklungstests werden direkt in der Linie vorgenommen. Es gilt, die Prozesse so gut zu definieren und zu leben, dass «automatisch Qualität vom Band fällt». Entsprechend braucht es ein starkes System, das diesen Gedanken hegt und pflegt.
Es kann keine Lösung sein, dass wir einen «Polizisten» haben, auf den dann alle sauer sind. Die Verantwortung für Qualität muss in der Linie sein. Daneben braucht es eine dezidierte operative Qualitätsstelle, wo wir Fehlern auf den Grund gehen, Testergebnisse akribisch auswerten und die Firma besser machen.
Wie hast Du es geschafft, Deine Funktion aufzubauen, ohne in die altbekannte QM-Rolle in der Organisation gedrängt zu werden?
Ich habe teilweise Druck gespürt, das zu übernehmen, was vorher unser QM gemacht hat. Als Unternehmensentwickler kann ich dann anbieten, aufzunehmen, was es braucht und was nicht und zusammen mit der Führung schauen, dass sinnvolle Dinge wie die vorhin besprochene Rolle des operativen QM eingeführt werden.
Als ich kam, haben wir mit unserer Geschäftsführung zuerst die strategischen Ziele gesetzt und gesagt, irgendwann auf dem Weg dahin müssen wir die Prozesse angehen. Wir wussten nicht, ob das wirklich funktioniert und haben die Qualität etwas stiefmütterlich behandelt, heute sind wir überzeugt, dass wir mit den Rollen QM-System und operatives QM gut ins Rennen steigen. Und dann schauen wir, was gut war und was nicht und passen es an.
Ihr seid nach ISO 9001:2015 zertifiziert. Wie seid Ihr die Überwachungsaudits in dieser Umbruchphase angegangen?
Welchen Rat würdest Du jemandem geben, der sich eine ähnliche Funktion wie Du als Unternehmensentwickler aufbauen kann?
Du arbeitest 90% bei der INFORS HT. Was ist Dein Ausgleich zum Job?