02.07.2024

Best Practice: Lieferantenprozesse verbessern


Nachlese QQ-Impuls

QQ-Impuls Lieferantenprozesse verbessern
Si­mon Hüp­pin ist Sup­ply Chain Ma­na­ger Qua­li­ty En­gi­neer bei der Ac­cel­le­ron, ehe­mals ABB Tur­bo­char­ging.

In die­sem QQ-Im­puls zeig­te uns Si­mon, wie ef­fi­zi­en­te und kon­struk­ti­ve Zu­sam­men­ar­beit mit Lie­fe­ran­ten aus­se­hen kann: Durch die Op­ti­mie­rung von Be­mu­ste­rungs­pro­zes­sen konn­ten Kun­den­re­kla­ma­tio­nen si­gni­fi­kant ge­senkt wer­den. Wie in je­dem Ver­bes­se­rungs­pro­jekt galt es auch hier, Her­aus­for­de­run­gen zu über­win­den. Si­mon er­zähl­te uns, was die Zie­le und In­hal­te des Pro­jekts wa­ren, wel­che Hür­den ge­mei­stert wur­den und was zum Er­folg ge­führt hat. Da­ne­ben gab er uns ei­nen Ein­blick in das Sup­plier Qua­li­ty Ma­na­ge­ment bei Ac­cel­le­ron.

Einige Eckdaten zur Firma Accelleron

Oben links ist zu se­hen, wie gross ein Tur­bo­la­der ei­nes Pas­sa­gier- oder Fracht­schiffs sein kann. Die Tur­bo­la­der wer­den in gros­sen Fahr­zeu­gen, auch auf den Schie­nen und auf See, ein­ge­setzt.

Die Ac­cel­le­ron ver­spricht den Kun­den, dass Pro­ble­me mit ei­nem Tur­bo­la­der in­ner­halb von 48 Stun­den ge­löst wer­den – egal, wo auf der Welt das Pro­blem auf­tritt. Wenn zum Bei­spiel ein Teil ei­nes Tur­bo­la­ders auf ei­nem Kreuz­fahrt­schiff er­setzt wer­den muss, wel­ches sich ge­ra­de in Bra­si­li­en be­fin­det, ge­schieht der Er­satz so schnell und oh­ne Aus­wir­kung auf die Rou­te und den Zeit­plan des Schif­fes, dass die Pas­sa­gie­re da­von gar nichts be­mer­ken.

Das Pro­jekt: Ver­bes­se­rung von Be­mu­ste­rungs­pro­zes­sen

Ziel des Pro­jekts «Se­ri­al Part Ap­pro­val Pro­cess» (SPAP) war es, die An­zahl der Kun­den­re­kla­ma­tio­nen zu re­du­zie­ren. Ne­ben ei­ner hö­he­ren Kun­den­zu­frie­den­heit soll­ten Ko­sten re­du­ziert wer­den, die durch die Be­ar­bei­tung der Re­kla­ma­tio­nen ent­stan­den.

Ein Beispiel einer Reklamation

Be­stellt wur­den 100 Er­satz­teil-Kits. Links im Bild ist zu se­hen, was ge­lie­fert wer­den soll­te: Ei­ne Pla­stik­tü­te mit drei ver­schie­de­nen Tei­len. Das Bild rechts zeigt, was statt­des­sen ge­lie­fert wur­de: drei Pla­stik­tü­ten mit je 100 Stück ein und des­sel­ben Teils.


Al­le Feh­ler wur­den mit SAP auf­ge­nom­men und aus­ge­wer­tet. Die Aus­wer­tung er­gab, dass Feh­ler häu­fig in Ne­ben­pro­zes­sen ent­ste­hen, wie zum Bei­spiel bei Ver­packung, Eti­ket­tie­rung oder Be­schrif­tung. In den ei­gent­li­chen Haupt­pro­zes­sen, al­so in der Pro­duk­ti­on der Tei­le, sind die Lie­fe­ran­ten stark, da gab es we­ni­ge Re­kla­ma­tio­nen. Ne­ben­pro­zes­se hin­ge­gen wer­den of­fen­sicht­lich als «Ne­ben­säch­lich­keit» be­han­delt, wes­halb sich dort häu­fig Feh­ler ein­schlei­chen.

Die Blackbox im Prozess: Wie stellen Lieferanten die bestellten Waren eigentlich her?

Um das Pro­jekt­ziel, die Re­kla­ma­ti­ons­quo­te zu sen­ken, zu er­rei­chen, war es wich­tig, Licht ins Dun­kel der Lie­fe­ran­ten­pro­zes­se zu brin­gen. Die Ta­schen­lam­pen in der Gra­fik sym­bo­li­sie­ren, wor­auf das Au­gen­merk im Pro­jekt SPAP ge­rich­tet wur­de. Si­mon und sein Pro­jekt­team woll­ten ver­ste­hen, WAS ein Lie­fe­rant macht und WIE er es macht. Da­für muss­ten sie die Lie­fe­ran­ten be­su­chen und de­ren Pro­zes­se vor Ort an­schau­en. Nur so er­fährt man, wo Schwie­rig­kei­ten oder Miss­ver­ständ­nis­se lie­gen, und kann dann ge­mein­sam mit den in­vol­vier­ten Per­so­nen Lö­sun­gen su­chen.

Involvierte Personen (Stakeholder)

Wer mit wem in wel­cher Be­zie­hung steht und wer was für wen macht, ist gar nicht so ein­fach zu ver­ste­hen. Ein re­le­van­ter Er­folgs­fak­tor im Pro­jekt SPAP war, ei­ne Über­sicht über Be­zie­hun­gen und Auf­ga­ben der im Pro­zess in­vol­vier­ten Per­so­nen zu schaf­fen. Ei­ne pla­sti­sche Dar­stel­lung wie im Bild zeig­te für al­le ver­ständ­lich auf, wer mit wem in wel­cher Be­zie­hung steht, wie Kom­mu­ni­ka­ti­ons­we­ge lau­fen, wel­che Auf­ga­ben bei wem an­ge­sie­delt sind und wo al­len­falls Lücken zu schlies­sen sind.

Wie ge­winnt man das Ver­trau­en der Lie­fe­ran­ten und wie be­wegt man sie zur Zu­sam­men-ar­beit?

Dem Pro­jekt SPAP war ei­ni­ge Jah­re zu­vor be­reits ein Ver­such vor­aus­ge­gan­gen, en­ger mit den Lie­fe­ran­ten zu­sam­men­zu­ar­bei­ten. Die­ser Ver­such war ge­schei­tert. Aus heu­ti­ger Sicht ist für Si­mon klar, war­um das so kom­men muss­te: Da­mals wur­de ei­ne Schu­lung der Lie­fe­ran­ten in die Lie­fe­ran­ten­au­dits in­te­griert. Der Au­di­tor zeig­te mehr als 40 Fo­li­en da­zu, was Ac­cel­le­ron be­nö­tigt und er­war­tet. Die­se Schu­lun­gen zeig­ten kei­ner­lei Wir­kung. Für Si­mon war klar: Das geht an­ders bes­ser.


  1. Die In­for­ma­tio­nen muss­ten kurz, klar und adres­sa­ten­ge­recht auf­be­rei­tet wer­den. 40 Fo­li­en sind ein­fach zu viel.
  2. Der Au­di­tor war nicht die rich­ti­ge Per­son und das Au­dit nicht der rich­ti­ge Rah­men für ei­ne Schu­lung. Ein Au­dit wird vom Lie­fe­ran­ten als Kon­trol­le emp­fun­den und es ist nicht si­cher­ge­stellt, dass beim Au­dit die in­vol­vier­ten Per­so­nen da­bei sind, die von den Pro­zess­an­pas­sun­gen be­trof­fen sind.
  3. Dia­log statt Mo­no­log: Lö­sun­gen dür­fen nicht ein­sei­tig de­fi­niert wer­den, viel­mehr müs­sen sie zu­sam­men ge­fun­den wer­den.

Die Trai­nings muss­ten al­so mit neu­en Rah­men­be­din­gun­gen noch ein­mal durch­ge­führt wer­den, und zwar am Ort der Pro­zes­ses mit den Men­schen, die dort ar­bei­ten. Und es gab je nach Lie­fe­rant un­ter­schied­li­che Vor­ge­hens­wei­sen. Gros­se Fir­men müs­sen an­ders an­ge­spro­chen wer­den als klei­ne Fa­mi­li­en­be­trie­be, die Me­tho­den wie FMEA und Ri­si­ko­be­ur­tei­lung noch gar nicht ken­nen.

Da­nach galt es, mit den Lie­fe­ran­ten dran­zu­blei­ben, sie zu be­glei­ten und wei­ter­zu­ent­wickeln. Pro­zes­se wur­den ge­mein­sam auf­ge­zeich­net, Ver­bes­se­run­gen wur­den Schritt für Schritt er­ar­bei­tet, zwi­schen­durch fan­den Feed­back­schlau­fen statt.

Die An­wen­der­freund­lich­keit von Vor­ga­ben er­wies sich als zen­tra­les Er­folgs­ele­ment. Ziel war es, dass die Lie­fe­ran­ten kei­ne zu­sätz­li­che Do­ku­men­ta­ti­on er­stel­len muss­ten, son­dern mit ih­ren be­stehen­den Do­ku­men­ten ar­bei­ten konn­ten. Für den Fall, dass kei­ne Do­ku­men­ta­ti­on beim Lie­fe­ran­ten vor­han­den war, un­ter­stüt­ze das Pro­jekt­team mit Vor­la­gen.

Nicht al­le auf ein­mal!

Das Team von Si­mon hat - im Hin­blick auf die ei­ge­nen Res­sour­cen - die wich­tig­sten Lie­fe­ran­ten prio­ri­siert. Bei neu­en Lie­fe­ran­ten war das Im­ple­men­tie­ren ei­nes neu­en Pro­zes­ses am ein­fach­sten, da die­se ja nur den «neu­en» Pro­zess ken­nen und nicht sa­gen kön­nen: «Sonst ha­ben wir es aber im­mer an­ders ge­macht.»

Erfolge

Durch die ge­mein­sa­me Ver­bes­se­rungs­ar­beit mit den Lie­fe­ran­ten ver­bes­ser­te sich de­ren Per­for­mance. Die An­zahl der re­kla­mier­ten Tei­le ist mitt­ler­wei­le stark ge­sun­ken, teil­wei­se sank die Feh­ler­ra­te um bis zu 90%. Hier auf der Gra­fik zu se­hen: Die graue Li­nie zeigt die Feh­ler­ra­te vor dem Pro­jekt SPAP, die grü­ne Li­nie zeigt die Feh­ler­ra­te da­nach. Bei nied­ri­gen Feh­ler­ra­ten wer­den Skip-Lots ein­ge­führt, das heisst, es wer­den we­ni­ger Prü­fun­gen durch­ge­führt, wo­durch Zeit und Geld ge­spart wird. Kommt es dann bei ei­ner Prü­fung wie­der zu ei­ner hö­he­ren Feh­ler­ra­te, wer­den wie­der eng­ma­schi­ge­re Prü­fun­gen durch­ge­führt.

Erkenntnisse

Wenn man Ver­bes­se­run­gen in den Lie­fe­ran­ten­pro­zes­sen und an den Schnitt­stel­len be­wir­ken möch­te, hat die Be­zie­hung zu den Lie­fe­ran­ten höch­ste Prio­ri­tät. Vor Ort und im Ge­spräch wer­den ge­mein­sam Pro­zes­se an­ge­schaut, An­for­de­run­gen und Rah­men­be­din­gun­gen ge­klärt und Lö­sun­gen er­ar­bei­tet. Der Lie­fe­rant muss wis­sen, was mit den Tei­len pas­siert, die er her­stellt. Es muss ein Be­wusst­sein ge­schaf­fen und Un­klar­hei­ten aus dem Weg ge­räumt wer­den. Falls Pro­ble­me be­stehen, soll­te mit Ver­ständ­nis dar­auf re­agiert wer­den. Dann muss man ver­su­chen, die Ur­sa­chen des Pro­blems zu ver­ste­hen. Ein Tipp von Si­mon ist, vor Ort beim Lie­fe­ran­ten auch die Leu­te an der Ma­schi­ne an­zu­spre­chen und zu fra­gen, ob sie al­le In­for­ma­tio­nen ha­ben, um ih­re Ar­beit gut zu ma­chen, und ob die­se In­fos ver­ständ­lich sind.

Fa­zit

Al­le Lie­fe­ran­ten - auch je­ne, die an­fäng­lich skep­tisch wa­ren – re­agier­ten im Ver­lauf der Zu­sam­men­ar­beit im Pro­jekt SPAP sehr po­si­tiv. Sie wa­ren dank­bar für den Per­spek­ti­ven­wech­sel. Bei­de Sei­ten lern­ten viel, in­dem sie die Pro­zes­se und An­for­de­run­gen ge­gen­sei­tig bes­ser ver­stan­den.
Be­zie­hun­gen müs­sen eben nicht nur im Pri­vat­le­ben ge­pflegt wer­den. Idea­ler­wei­se emp­fin­det man sich als Part­ner, nicht als Geg­ner.
Die Be­zie­hungs­pfle­ge zu Lie­fe­ran­ten ist ei­ne lang­fri­sti­ge In­ve­sti­ti­on in die Zu­kunft. In der Or­ga­ni­sa­ti­on muss klar sein, dass es bei die­ser Art von Zu­sam­men­ar­beit nicht um schnel­le Er­fol­ge geht.
Wenn Si­mon selbst ein­mal au­di­tiert wird, krie­gen die Au­di­to­ren gros­se Oh­ren, wenn er über das Pro­jekt SPAP er­zählt und wol­len je­des De­tail dar­über wis­sen.

Wenn Du die Power­Point-Prä­sen­ta­ti­on down­loa­den möch­test, dann klicke hier auf die­sen Link. Wei­te­re QQ-Im­pul­se fin­dest Du je­weils auf un­se­rer Web­sei­te un­ter "Events".


Ha­ben wir Dich neu­gie­rig ge­macht? Möch­test Du noch mehr wis­sen? Nach­fol­gend ha­ben wir ein paar Wei­ter­bil­dun­gen zum The­ma Lie­fe­ran­ten­ma­nage­ment für Dich zu­sam­men­ge­stellt:

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