«Wenn man etwas nicht einfach erklären kann, hat man es nicht verstanden.» Albert Einstein wird gerne und oft zitiert. Er gilt als Grösse in der Wissenswelt, als Genie. Aber warum traut sich dann niemand, sein Erfolgsrezept zum Lernen umzusetzen? Womöglich haben wir Angst, uns zu blamieren, wenn wir Dinge in einfachen Worten formulieren, in kurzen, verständlichen Sätzen mit möglichst wenig Fremdworten.
Dabei würde dies gerade in der aktuellen menschlichen Entwicklung weiterhelfen. Unsere Aufmerksamkeitsspanne sinkt beim Lesen. Gerade am Bildschirm werden Texte von Lesern mehr gescannt als gelesen: Von online-Inhalten lesen wir im Schnitt 20%. Kinder und Jugendliche ziehen Videos, Bilder und Audios den klassischen Texten vor. Umso komplizierter und länger ein Text ist, desto geringer also die Chancen, dass er gelesen und verstanden wird.
Wir von SAQ-QUALICON haben uns auf die Fahnen geschrieben, dass Lernen Freude machen soll. Darum setzen wir uns sehr intensiv mit Einfachheit auseinander.
Einerseits bedeutet das, dass wir Lerninhalte neu strukturieren, vereinfachen und auf das Wesentliche reduzieren, ohne dabei Halbwissen zu vermitteln. Andererseits bedeutet das auch, dass wir uns als Experten laufend hinterfragen und uns trauen, Wissen in einfache, klare und verständliche Worte zu packen.
Unsere Lernplattform OpenOLAT bietet da ideale Voraussetzungen, um Einsteins Anspruch gerecht zu werden: War der Schulstoff bislang in seitenlange Booklets niedergeschrieben, verpacken wir jetzt Lerninhalte in prägnante Lernressourcen-Bausteine. Damit gewinnen wir nicht nur Einfachheit, sondern auch Flexibilität, Aktualität und mehr Standardisierung.
Was genau macht Einfachheit im Lernen aus? Wissen muss dafür so aufbereitet sein:
- Eine gute Struktur, die Übersicht bietet. Konkret heisst das: Kurze, thematisch in sich geschlossene Kapitel, die nicht mehr als eine Ebene Unterkapitel beinhalten.
- So viel Text wie nötig, so wenig wie möglich. Kurze, einfache Sätze, die man beim ersten Lesen versteht. Jeder Satz, der zwei Mal gelesen werden muss, um ihn zu verstehen, ist schlecht.
- Fremdwörter werden nur dann verwendet, wenn man sicher sein kann, dass sie den Adressaten geläufig sind. Ansonsten soll darauf verzichtet werden. Fachbegriffe, die man lernen muss, werden verständlich erklärt.
- Für Abwechslung im Lernprozess sorgen. Text wird mit Bildern, Grafiken oder Videos ergänzt. Fragen und Zusammenfassungen am Ende von Textabschnitten helfen, das Verständnis der Leser*innen zu fördern.
Beispiel 1
Hier ein Beispiel, wie wir Einfachheit im Thema Prozessmanagement umgesetzt haben. In unseren Schulungsunterlagen wurde Prozessmanagement früher so beschrieben:
«Die bereichs- und funktionsübergreifende Sichtweise der Prozessorientierung fordert den Erbringer der Prozesstätigkeit dazu auf, «über den Tellerrand» zu denken. Prozessorientierung setzt voraus, Mitarbeitende an der Entwicklung der Organisation zu beteiligen. Diese Form der Partizipation wiederum wirkt sich (vgl. Herzberg/Mausner, 1959) positiv auf die Motivation aus.
Wagner und Patzak (2015) benennen die Eigenverantwortung als wesentliches Element der Prozessorientierung. Zusammen mit einem bereichsübergreifenden Denken und einer partizipativen Führung, wird den Beteiligten eine grössere Übersicht und bessere Einordnung ihrer eigenen Leistung in den Gesamtzusammenhang geboten. Gleichzeitig sind die Mitarbeitenden angehalten, das Ergebnis ihrer ausgeführten Tätigkeit zu beurteilen und ggf. Korrekturen vorzunehmen. Die prozessorientierte Organisation setzt einen selbstreflektierten Mitarbeitenden, der aus Fehlern lernt und daraus Prozessverbesserungen ableitet, voraus.
Durch die Wahrnehmung der Eigenverantwortung wird das unternehmerische Denken gefördert. Dabei muss sich die Organisation und insbesondere das Führungsteam bewusst sein, dass dies je nach Ist-Situation ein neues Rollenverständnis bedeutet. Die gegenseitige Informationsbereitschaft, unabhängig von Fachbereichen und Hierarchien sowie die uneingeschränkte Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft sind grundlegende Voraussetzungen für das Gelingen (vgl. Wagner & Patzak, 2015, S. 44) einer ausgeprägten Prozessorientierung.»
Wie liest sich das? Was hast Du gerade konkret etwas gelernt? Hast Du jeden Satz beim ersten Mal lesen verstanden? Hast Du jetzt einen guten Überblick? Lies zum Vergleich den nachfolgenden Text:
Beim Prozessmanagement geht es um die bereichsübergreifende Zusammenarbeit im Unternehmen.
- Dazu müssen die hierarchisch organisatorischen Strukturen in neue Zusammenhänge gestellt werden.
- Das Prozessmanagement orientiert sich nicht am Organigramm - es «fliesst» durch dieses durch!
Prozesse «fliessen» durch das Organigramm (auch Aufbau-Organisation genannt) des Unternehmens durch.
- Das Prozessmanagement beinhaltet die Prozesse und Leistungen eines Unternehmens, die notwendig sind, um den Unternehmenszweck zu erfüllen.
- Es besteht aus der Verkettung oder Vernetzung interner Teilleistungen, die letztendlich zu einer Gesamtleistung für die Kunden führen.
Hinweis: oft wird auch gesagt, dass mit Prozessen im Unternehmen «Silos» aufgebrochen werden.
- Überlege Dir, welche Beispiele Du dazu kennst.
- Was wäre, wenn die Hierarchien in Deinem Unternehmen ganz flach wären und Du vielleicht keinen Vorgesetzten hättest und Du und Dein Team euch selber organisieren würdet - würde dies die Orientierung an Prozessen eher vereinfachen oder erschweren?
Beispiel 2
Hier ein weiteres Beispiel zum Thema Prozess-Schnittstellen. So war es in unseren herkömmlichen Unterlagen beschrieben:
Einen weiteren Ansatz zur Umsetzung prozessorientierter Organisationen findet man in der folgenden Definition von Müller-Stewens und Lechner im Buch Strategisches Management.
«… Die betrieblichen Prozesse werden zum organisatorischen Strukturierungsmerkmal. An ihnen hat sich die Aufbauorganisation auszurichten. Die Wertschöpfung wird so gestaltet, dass eigenständige, am Kunden orientierte Prozesse dominieren, die ohne Schnittstellen zwischen den einzelnen Bereichen das Unternehmen durchlaufen. Ziel ist es die Schnittstellen weitgehend zu eliminieren, da sie zu Abstimmungsproblemen führen, Informationsverluste verursachen und die Zuordnung von Verantwortlichkeiten erschweren. Gelingt dies, so können durch eine Prozessorganisation hohe horizontale Synergien realisiert werden.»
Für die Eliminierung bzw. Optimierung von Prozessschnittstellen muss man sich zunächst über die Schnittstellen selbst bewusst werden, die es zu berücksichtigen gilt. Nachfolgend sind die organisatorischen Schnittstellen aufgeführt, die bei der Prozessorientierung vor allem im Fokus stehen.
- Schnittstellen zwischen Organisationseinheiten (funktionale Abteilungen, Bereiche, Departemente etc.)
- Schnittstellen zwischen unterschiedlichen Fachspezialisten/Fachdisziplinen (unterschiedliche Fachkompetenzen/Kompetenzteams unter gemeinsamer Führung)
- Schnittstellen zwischen Mitarbeitenden mit gleicher Fachkompetenz aber unterschiedlichen Aufgabengebieten innerhalb eines Bereiches
- Hierarchische Schnittstellen (z. B. im Rahmen von Entscheidungsprozessen)
- Schnittstellen zwischen eigenständigen Geschäftsbereichen (z.B. zu Vertriebsgesellschaften)
- Schnittstellen zu externen Partnern/Lieferanten/Experten
- Schnittstellen zu Kunden
- Schnittstellen zwischen Mensch und IT
Und so werden Schnittstellen neu in unserer Lernplattform OpenOLAT beschrieben:
Ein besonderes Augenmerk gilt es, auf Schnittstellen von Prozessen zu richten. 80% der Prozess-Fehler treten an Schnittstellen auf.
Ziel ist die fehlerfreie übergreifenden Prozessabstimmung.
Schnittstellen erfolgreich managen - Ideen:
- Anzahl der Schnittstellen möglichst klein halten (z.B. Einsatz Teilzeitpensum)
- Bewusstsein bei den Involvierten für Schnittstellen schaffen
- Bei Bedarf Kommunikationsaufwand an Schnittstellen erhöhen
- Kritische Schnittstellen in der Prozess-Dokumentation besonders hervorheben
- Eine Schnittstellenvereinbarung mit den Involvierten vereinbaren (Wer macht was, wie, wann, wo, womit, warum)
- Eine Schnittstellen-Matrix erstellen - Beleuchtung der Schnittstellen, nicht des Prozessflusses
- Je mehr Schnittstellen die Prozesse haben, desto anspruchsvoller ist seine erfolgreiche Umsetzung.
- Schnittstellen können mit Methoden aktiv gemanagt werden.
- Oft lohnt es sich, die vorhandenen Ressourcen an Schnittstellen zu investieren, um eine erfolgreiche Prozessumsetzung zu implementieren.
Es ist nicht einfach mit der Einfachheit, aber es lohnt sich!
Wenn Dir jetzt auch Texte, Anweisungen, Konzepte, Beschreibungen aus Deinem Umfeld in den Sinn kommen, die schwer verständlich und schwierig zu lesen sind, dann versuch es mal mit Vereinfachung und berücksichtige dabei unsere Tipps. Du wirst sehen: Es ist nicht einfach mit der Einfachheit, aber es lohnt sich! Was verständlich ist für die Empfänger*innen, wird nämlich besser und zuverlässiger umgesetzt. Wir bleiben auch dran an der Einfachheit unserer Lerninhalte, wohl wissend, dass wir noch viel Arbeit und einen weiten Weg vor uns haben. Was uns dabei motiviert? Die Freude am Lernen und das Wissen, dass Einfachheit nachhaltiger ist.