Síle Fallah arbeitet als Continuous Improvement Project Manager in der Medizintechnikbranche bei Bio-Rad Laboratories AG. Ihre langjährige Erfahrung mit Lean und Six Sigma Projekten und ihre Passion dafür, den nichtwertschöpfenden Aktivitäten zu Leibe zu rücken, teilt sie als Dozentin mit unseren Teilnehmenden in unseren Lean Six Sigma-Kursen. Wir haben mit Síle über ihren Arbeitsalltag gesprochen und wollten wissen, wie sich ihre Verbesserungsleidenschaft im Privatleben auswirkt.
Síle, Du bist Continuous Improvement Officer bei Bio-Rad Laboratories in Cressier. Wie wird man Continuous Improvement Project Manager?
- Es gibt sicherlich mehrere Wege zu dieser Laufbahn. In meinem Fall hing es damit zusammen, dass ich schon immer eine Leidenschaft für die Beseitigung nichtwertschöpfender Aktivitäten hatte. Ich bin in Irland aufgewachsen und habe Betriebswirtschaftslehre und Fremdsprachen studiert. Ich habe in Deutschland, Frankreich, Irland und Brasilien hauptsächlich im kaufmännischen Bereich und in der Erwachsenenausbildung gearbeitet. 2012 suchte ich eine neue Herausforderung und entschied mich für einen Lean Six Sigma Green Belt-Kurs und die Leitung eines Verbesserungsprojektes. Seitdem gab es kein Zurück mehr für mich! Meine Augen waren offen und ich wollte nur noch meine Kenntnisse in diesem Bereich vertiefen und umsetzen, um Prozesse zu vereinfachen, Zeit zu gewinnen, die Qualität zu verbessern, Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten zufriedener zu machen und gleichzeitig auch Kosten für meine Arbeitgeber zu sparen. 2015 habe ich einen grossen Sprung in die Medizintechnikbranche gemacht und 2017 habe ich mich als Lean Six Sigma Black Belt zertifizieren lassen. Seitdem unterrichte ich selber Lean Six Sigma-Kurse, coache interne Mitarbeiter, die Projekte und A3-Initiativen leiten, führe Verbesserungsprojekte oder Kaizen-Events und bin verantwortlich für die Förderung einer firmenweiten Kultur der kontinuierlichen Verbesserung.
Womöglich gibt es in Deinem Job keinen «typischen» Arbeitstag, weil jeder Tag völlig anders aussieht. Wenn Du einen Arbeitstag beispielhaft beschreiben würdest, wie sieht so ein Tag aus?
- Meine erste Priorität am Morgen ist es, sicherzustellen, dass die Logistik für meine 3 Kinder gut organisiert ist und dass sie rechtzeitig in die Schule und zum Sport kommen! Dann gehe ich zur Arbeit und ab dann geht die Zeit im Nu. Ich nehme an einem Gemba Walk durch die Produktion teil, um einen Aspekt der Arbeit besser zu verstehen, wie zum Beispiel einen Prozess, der sehr zeitaufwendig ist oder viel Ausschuss hat, ich leite eine Schulung, ich treffe eine Mitarbeiterin für eine Coaching-Stunde, ich werde gefragt, bei der Ursachenanalyse einer CAPA auszuhelfen, ich bewerte neue Verbesserungsideen der Mitarbeiter und verteile kleine Preise für deren Implementierung, ich entwickle mit einem Team neue Indikatoren, um einen Prozess zu messen, ich animiere eine Sitzung zwischen verschiedenen Abteilungen und zeichne auf einer Wandtafel oder live in Visio eine Prozessdarstellung, um eine punktuell heikle Problematik zu verstehen und versuche, die Teilnehmer dazu zu bringen, Gegenmassnahmen zu den Grundursachen des Problems zu finden. Dann kommen ein paar Online-Sitzungen mit Kollegen aus anderen Standorten dazu und plötzlich ist der Arbeitstag schon vorbei!
Was muss geschehen, damit Du nach einem Arbeitstag besonders zufrieden und glücklich nach Hause gehst?
- Eine spontane Begegnung mit einem ehemaligen eher skeptischen Schulungsteilnehmer, der sich bei mir bedankt, weil ich ihn inspiriert hatte, die Sachen anders zu sehen und ihm zu einer Lösung verholfen hatte. Das finde ich sehr bereichernd und gehe mit dem Gefühl nach Hause, dass die Arbeit, die ich mache, eine positive Wirkung auf die Anderen hat.
In Deinem LinkedIn Profil steht, Du bist verantwortlich, eine Kultur von Lean Six Sigma und Operational Excellence im Unternehmen zu fördern. Wie genau machst Du das?
- Durch verschiedene Techniken und Tools wie Schulungen, ein Mitarbeiterideenanerkennungsprogramm, Gemba Walks. Oder durch visuelles Management: Eine Indikatorentafel, A3-Poster, DMAIC-Poster machen Probleme und Verbesserungen sichtbar. Ich verfasse Beiträge für den monatlichen internen Newsletter und informiere bei Townhall-Sitzungen über die neusten Zertifizierungen der Mitarbeiter und gelungene Projekte. Ich versuche, die Abteilungsleiter davon zu überzeugen, dass die bewerteten Jahresziele Ihrer Mitarbeiter ebenfalls individuelle Ziele für den Beitrag an der Verbesserungskultur des Unternehmens haben sollen. Ich halte Präsentationen über die Erfolge und Ergebnisse der Verbesserungsprogramme bei strategisch wichtigen Sitzungen. Aber wichtiger als alles: man muss sich Zeit für die Mitarbeiter nehmen, bereit sein, mit ihnen die Arbeit anzupacken und Ihr Vertrauen gewinnen. Einige Mitarbeiter haben Angst vor Änderungen und sehen Rollen wie meine als eine Bedrohung für Ihre bequeme langjährige Routine. Wenn das Vertrauen besteht und die Mitarbeiter Freude haben, in einem Umfeld zu arbeiten, wo Ihre Ideen ernst genommen und anerkannt werden, und sie weniger Angst vor Änderungen haben, kann die Kultur gedeihen.
An welchen Themen oder Projekten arbeitest Du zur Zeit bei Bio-Rad Laboratories?
- Ich arbeite derzeit an zwei komplett unterschiedlichen Projekten: Mit der Marketing-Abteilung bin ich daran, Ihren globalen Kampagnen-Prozess zu optimieren. Den Einkauf und die Finanz-Abteilung unterstütze ich dabei, den Prozess für die Bezahlung der Lieferantenrechnungen zu vereinfachen.
Du bist Profi für Verbesserungen. Wie macht sich das in Deinem Privatleben, zum Beispiel im Haushalt, bemerkbar? Verbesserst Du da auch dauernd und wenn ja, was hast Du zuletzt verbessert?
- Es stimmt, dass man viele dieser Lean Six Sigma Strategien, zum Beispiel 5S, im Privatleben gut umsetzen kann! Ja, ich muss zugestehen, dass ich die Legos meiner Kinder nach Farbe und in beschrifteten passenden farbigen Behälter sortiert habe! In der Küche, im Badezimmer und im Kleiderschrank hat alles seinen definierten beschrifteten Platz. Früher - als die Kinder klein waren - hatte ich eine visuelle magnetische Tafel mit all Ihren wöchentlichen Aktivitäten mit verschiebbaren Magneten zusammengestellt. Sie hatten Spass daran und bekamen schnell den Überblick über Ihren Schulplan, Trainings, Betreuer oder Mittagstisch! Andererseits muss ich zugeben, dass auch ich meine kleinen Baustellen habe, die schnell versteckt werden müssen, wenn Besuch kommt. Wir sind ja alle nur menschlich, oder!?
Du verfügst über viele Fähigkeiten, die man in dieser Konstellation selten findet: Du kannst richtig gut analysieren und bist Expertin für Zahlen, Daten und Statistik und gleichzeitig bist Du kommunikativ sehr stark und kannst Menschen begeistern. Wenn man die lange Liste Deiner Kenntnisse im LinkedIn-Profil durchscrollt, kommt man ganz schön ins Staunen: Lean Six Sigma, Projektmanagement, CRM, Power BI, ISO 13485, Business Strategy, Analysis, Cross-functional Team Leadership, Training…. Und Deutsch, Französisch und Englisch sprichst Du selbstverständlich fliessend! Gibt es etwas, das Du nicht kannst???
- Skifahren!!
Neben Deiner Tätigkeit bei Bio-Rad Laboratories arbeitest Du auch als Dozentin für uns. Warum?
- Obwohl ich mehr als genug bei meinem aktuellen Arbeitgeber zu tun habe, macht es mir trotzdem Spass, Schulungsteilnehmer aus anderen Branchen kennenzulernen und meine Kenntnisse und Erfahrungen mit Ihnen zu teilen. Ich lerne bei jeder Schulung auch etwas Neues und es motiviert mich auch dazu, meine eigenen Kenntnisse aufzufrischen.
Falls Du
überhaupt noch Freizeit hast, was machst Du da gern?
- Meine 3 Kinder sind Spitzensportler und ich verbringe fast jedes Wochenende an einem Turnier oder Match mit ihnen. Manchmal in einer anderen Ecke der Schweiz oder sogar im Ausland. Für mich ist es wie ein Mini-Urlaub mit einer Übernachtung im Hotel, auswärts essen, eine neue Stadt entdecken, die anderen Eltern der Sportler kennenlernen, aber vor allem diese tolle Gelegenheit, Zeit mit seinem Kind (ohne Bildschirm!) zu verbringen und es durch die verschiedenen Emotionen der Höhepunkte und Tiefpunkte des Sportlerlebens zu begleiten. Das sind Momente, die uns näherbringen und in Erinnerung bleiben werden. Wenn ich wirklich Urlaub von alledem habe, bin ich gerne draussen in der Natur in der Sonne und spiele Tennis, mache Tanzfitness, spaziere, lese zum Abschalten einen guten Roman oder trinke ein Glas Wein und quatsche mit Freunden.
Wen bewunderst Du und warum?
- Michelle Obama. Ihre ehrliche und bodenständige Erzählung in ihrer Autobiographie über die tägliche Herausforderung, Beruf und Familie zu vereinbaren, hat mich inspiriert. Michelle wuchs in einfachen Verhältnissen in den USA der 60er/70er Jahre in einer von Rassismus geprägten Zeit auf. Sie studierte Soziologie und Jura an der Harvard University und arbeitete sich mit Fleiss in einer Anwaltskanzlei nach oben. Später arbeitete sie an der Spitze eines Universitätskrankenhauses, während sie gleichzeitig Mutter von 2 Kindern war. Sie stand nicht im Schatten Ihres Ehemannes Barack Obama und während seiner Amtszeit engagierte sich für viele soziale Projekte, wie zum Beispiel die Kinderfettleibigkeit in den USA.
Vielen Dank für das Interview, liebe Síle!