Am vergangenen Montag erhielten gleich zwei Klassen des Nachdiplomstudiums «Dipl. Qualitätsmanager/in NDS HF» ihre Diplome überreicht. Der Saal im Zunfthaus zur Waag füllte sich am Abend – mit klopfenden Herzen, roten Wangen und angeregtem Gemurmel. Die NDS-Absolventen wussten, dass sie die Diplomprüfung bestanden hatten, aber die Prüfungsergebnisse samt Diplomen lagen noch in heiligen, unantastbaren Stapeln auf dem Tisch und harrten ihrer Übergabe.
Nun also der grosse Moment der Diplomübergabe. Ein Moment, um die erbrachten Leistungen gemeinsam mit all den Menschen zu würdigen und zu feiern, die in dieser Zeit wichtige Begleitung und Unterstützung waren: Partner*innen, Familien, Arbeitskollegen, Dozierende und Verantwortliche für das Studium. Zum Abschluss dieser intensiven Lernzeit soll die Diplomfeier auch nochmal ein Moment des Lernens sein. Dafür hatten wir Barbara Studer aus Bern eingeladen. Als Neurowissenschaftlerin und Geschäftsführerin der Hirnchoach AG gab sie uns wertvolle Tipps zum Umgang mit unserem Gehirn, die im beruflichen wie auch im privaten Alltag gleichsam nützlich sind.
Weist das Frontalhirn in die Schranken: Habt mehr Herzklopfen!
Warum muss Frau Studer uns extra sagen, dass wir viel fühlen und darüber reden sollen? Wegen der Sache mit den Hemmungen, die gerade in der Schweiz ein Schlaraffenland für ihre Verbreitung finden. Hemmungen sind ein Zeichen, dass unser Frontalkortex, also der Teil des Gehirns, der hinter der Stirn liegt, das Sagen hat. Er sorgt dafür, dass wir unsere Gefühle negieren. Hier liegt also viel Potenzial für ungesundes und unglückliches Dasein. Hemmungen abzulegen ist nicht unsere Kernkompetenz, lässt sich aber trainieren.
Frau Studer packte ihre Gitarre aus und setzte mit ihrer Stimme zum Dahinschmelzen zu einem Mani Matter-Song an. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis die 80 Personen im Saal mitsangen, Töne improvisierten und sich in «Body Percussion» übten. Wäre der Platz zwischen den Stuhlreihen im Zunftsaal etwas grosszügiger, dann hätten wir getanzt. Denn: Tanzen ist sowieso am besten für die Hirngesundheit. Es übertrifft in seiner Wirkung auf die Hirnleistung sogar Sudoku und Hirnjogging.
Der Weg in Dein Reptilienhirn: Finde Deinen «Sweet Spot»
Wir Menschen brauchen Arbeit und Freude. Dabei geht es darum, die richtige Mischung zu finden. Auch hier wieder: Diversität ist gefragt. Nur Freude allein macht weder gesund noch glücklich. Finde den «Sweet Spot», den Frau Studer als die Balance zwischen Angst und Freude bezeichnet. Nun ist die Sache mit der Balance gar nicht so einfach, weil unser Hirn von sich aus etwas anders priorisiert, als uns das gut tut. Was passiert da genau? Um das zu verstehen, nahm Frau Studer uns mit in die Tiefen unseres Gehirns, irgendwo hinter der Nase, in das limbische System, auch Reptilienhirn genannt. Das ist der Teil, den unser Frontalkortex hinter der Stirn gerne mal arrogant mit seiner vernunftverherrlichenden Besserwisserei negiert. Im Reptilienhirn sitzen der Hippocampus und ein kleines Ding, das aussieht wie eine Mandel: die Amygdala. Dort wird entschieden, was relevant für uns ist und was wir lernen.
Die Amygdala ist mega cool. Sie sichert unser Überleben, sie ist unser Relevanzdetektor. Lernen funktioniert so: Der Hippocampus ist die Wurst, durch die alle Daten durchgepresst werden, bis sie schliesslich die Amygdala erreichen. Der Hippocampus ist ein richtig fleissiger Kerl, aber er kann ohne Amygdala nichts tun, denn sie kann überall reinreden. Das Dumme dabei ist: Sie hat einen Hang zur Negativität und übertreibt gerne. Allen negativen Dingen, die bei ihr ankommen, schenkt sie fünf Mal mehr Aufmerksamkeit, als den positiven Dingen.
Wenn wir also unseren «Sweet Spot» zwischen Angst und Freude finden wollen, müssen wir das wissen. Und wir müssen bewusst in die Seite investieren, die bei die Amygdala zu kurz kommt. Tun wir das nicht, dann verändert sich unser Hirn. Die Amygdala wird fett bei Menschen, die viel über Angst nachdenken und sich von ihren Ängsten dominieren lassen. Die Amygdala kann im ganzen Körper direkt Reaktionen auslösen, noch bevor Dein Denken überhaupt einsetzen kann. Umso fetter die Amygdala, desto mehr wird also der zugehörige Körper Angst empfinden und damit Angstgedanken triggern – ein Teufelskreislauf.
Fitnessprogramm für eine schlanke Amygdala
Frau Studer gab uns dann gleich die wichtigsten Fitnessinstruktionen mit, mit denen die Amygdala schlank bleibt:
- Sei lieb zu Deiner Amygdala. Bedanke Dich bei ihr, dass sie Dich vor Bedrohung warnt, wie zum Beispiel einer mündlichen Diplomprüfung. Und sage ihr gleichzeitig, dass Dir die «Bedrohung Prüfung» viel bedeutet und Du gerne ruhig und souverän die Situation angehen möchtest. Die Amygdala lässt mit sich reden. Musik gefällt ihr auch gut. Musik löst sowieso ein Feuerwerk im ganzen Hirn aus. Nutze das. Es hilft, den «Sweet Spot» zu finden und die Angst zu relativieren.
- Bewege Dich, anstatt Gedanken kreisen zu lassen. Steh auf, laufe durch den Raum, atme tief in Deinen Bauch, zähle beim Einatmen bis vier, beim Ausatmen bis sieben. Das entspannt die Amygdala.
- Nutze Deinen Körper. Gedanken lassen sich nicht mit Gedanken bekämpfen. Wenn Dir etwas Peinliches passiert ist oder Du Dich schuldig fühlst, geh Hände waschen oder jongliere – auch wenn gerade kein Ball in der Nähe ist, das geht auch mit Äpfeln oder mit Radiergummis.
- Sei achtsam und staune. Zum Beispiel über die Blumen im Frühling, über die Vogelstimmen, über die farbigen Socken Deines Kollegen im Büro oder über die Ideen Deiner Kinder oder Deines Teams.
- Sei dankbar. Überlege Dir morgens oder abends, für welche drei Dinge Du gerade dankbar bist. Der Trick dabei: Wenn Du dankbar bist, kann Dein Hirn nicht unzufrieden sein.
- Sei freundlich mit anderen und mit Dir selbst. Wenn Du unzufrieden bist, ruf jemanden an und sag ihm, dass Du ihn magst. Biete den Nachbarn Hilfe an oder lächle auf der Strasse wildfremde Menschen liebevoll an. Das verschafft Dir und den Angelächelten einen Oxytocin-Flash – wirkt krasser als jede Droge.
Und vergiss nicht: Mit diesem Fitnessprogramm veränderst Du Dein Hirn. Und zwar zum Vorteil für Dich selbst und für andere. Eine echte Win-Win-Situation.
Von Wertberechnungen, Piranhas, und strahlenden Menschen: Michel Vinzens in Hochform
Mit musikalisch-bewegt-liebevollem Feuerwerk im Hirn übernahm Michel Vinzens, Direktor des SIB, das Wort. Der Mann, der immer dann auf der Bildfläche erscheint, wenn alle strahlen (nämlich am ersten Studientag und zur Diplomfeier), stellte eine rasante Berechnung zum Wert des Diploms auf. In einer fulminanten Gleichung flogen uns Terme und Wertvergleiche wie Grossbankaktien à 75 Rappen, Picasso-Skizzen à 500 Franken nach 30-jähriger Lernzeit, Arbeitszeit für die Diplomarbeit, Endnote, Studienkosten und Grenznutzen um die Ohren.
Was hängenbliebt: Eine Zahl ist nicht clever, um den Wert eines Diploms auszudrücken. Auch das Gleichnis vom Aquarium, in dem von einer Glasscheibe getrennt ein Piranha und eine Sardine sitzen, die selbst dann noch friedlich nebeneinander schwimmen, wenn man die Glasscheibe entfernt, brachte uns nicht weiter, denn wer sitzt schon mit einem Piranha im Büro und wer hat schon Lust, die Plexiglasscheibe wieder aus dem Keller zu holen???
Michel Vinzens brachte es zum Glück für unsere schwirrenden Hirne dann selbst auf den «Sweet Spot»: Den Wert einer Weiterbildung bestimmt jede*r selbst. Man hat Erfahrungen gewonnen und muss sich die Frage beantworten: Was hat mir die Weiterbildung gebracht? Auch er gab den frisch Diplomierten zwei Fitnesstipps mit:
- Bleibt nicht stehen.
- Habt Freude an Eurem Diplom.
Dozierenden-Freude: Wenn die Studierenden mit Flipchart kommen
Den krönenden Abschluss setzten dann während der Diplomübergabe drei frisch diplomierte Herren:
Hans-Gern Lustig, Hans Nötig und Don Queso e … (Name war leider unverständlich). Sie stellten auf einem Flipchart Herrn Isidor Norm vor, der seit VUCA eine Vokuhila-Frisur trägt, sich der Dodo-Einstellung verschrieben hat und der Megatrends im frugalen Fall nicht immer nachhaltig umsetzt. Isidor Norm fährt ein zertifiziertes E-Auto, mit Kopfstandmethode und Ishikawa evaluiert. Den Prozess des Parkierens hat er so optimiert, dass die Abweichung von der idealen Parkposition in seiner Garage immer innerhalb der Toleranzgrenze liegt. Er lebt friedlich in seinem «House of Quality» mit bodenständigem FMEA-Parkett und bewegt sich auf dem Gefühlsstern vor allem dann aus der Gleichgültigkeit heraus, wenn es Cheescake gibt. Er tut niemandem etwas zuleide, im äussersten Fall der Gefühle lässt er mal bei würdevollen Veranstaltungen ein paar Konfettibomben über fremden Köpfen explodieren.
Staunend, was unsere Studierenden alles gelernt, behalten und in ihren eigenen Kontext integriert haben, stiessen wir beim Apéro mit ihnen auf ihre Zukunft an.
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