22.02.2024

Lieferantenmanagement vor Ort oder per Videokonferenz?

Newsbeitrag: Lieferantenmanagement

Ein er­höh­tes Ko­sten­be­wusst­sein, die neu­en Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mög­lich­kei­ten und ein ver­än­der­tes Be­wusst­sein zur Nach­hal­tig­keit stel­len die Not­wen­dig­keit von Ge­schäfts­rei­sen in Fra­ge.

Dies trifft uns im Qua­li­täts­ma­nage­ment und der Qua­li­täts­si­che­rung mit Lie­fe­ran­ten be­son­ders, denn der Be­such bei Lie­fe­ran­ten vor Ort ist seit je her ein wich­ti­ges Mit­tel für part­ner­schaft­li­ches Lie­fe­ran­ten-Be­zie­hungs-Ma­nage­ment, zur Lie­fe­ran­ten­bin­dung, zur ge­gen­sei­ti­gen Wei­ter­ent­wick­lung der Pro­zes­se und nicht zu­letzt für die per­sön­li­che Be­zie­hung zu den An­sprech­part­ne­rin­nen und An­sprech­part­ner.

Wie ei­ne in Deutsch­land er­ho­be­ne VDR-Ge­schäfts­rei­se­ana­ly­se 2023 zeigt, wer­den vie­le Ge­schäfts­rei­sen heu­te durch Vi­deo- oder Te­le­fon­kon­fe­ren­zen er­setzt. Die Not­wen­dig­keit von Ge­schäfts­rei­sen wird stär­ker hin­ter­fragt und wenn die­se nö­tig sind, ist mei­stens ei­ne Ko­sten- und Auf­wand­re­duk­ti­on von den Un­ter­neh­men ver­langt.


Aber wann soll­ten wir als Qua­li­täts­ma­na­ge­rin­nen und Qua­li­täts­ma­na­ger die Kof­fer packen, den Auf­wand und die Ko­sten in Kauf neh­men, um vor Ort Prä­senz zu zei­gen? Wir ha­ben ei­ne Check­li­ste zu­sam­men­ge­stellt, wann Du ei­ne Rei­se zum Lie­fe­ran­ten ein­pla­nen soll­ten.

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Check 1 (für be­stehen­de und neue Lie­fe­ran­ten):  Wie wich­tig ist der Lie­fe­rant?

Für die­sen Check neh­men wir ein klas­si­sches Tool aus dem stra­te­gi­schen Be­schaf­fungs­ma­nage­ment zur Hand: Das Be­schaf­fung­sport­fo­lio nach Kral­jic (sie­he Gra­fik). Wir tei­len da­zu al­le un­se­re Lie­fe­ran­ten den vier Qua­dran­ten zu. Kern­fra­gen sind hier u.a.:


  • Ist das Ver­sor­gungs­ri­si­ko als hoch ein­zu­stu­fen?
  • Ist der Lie­fe­rant als «Sin­gle Sour­ce»-Lie­fe­rant klas­si­fi­ziert?
  • Sind die zu be­schaf­fen­den Pro­duk­te oder Her­stell­pro­zes­se tech­nisch hoch kom­plex?

Wenn Du ei­ne der Fra­gen mit «ja» be­ant­wor­ten kannst, be­fin­det sich der Lie­fe­rant in Qua­drant I oder III.


Lie­fe­ran­ten, wel­che sich in ei­nem die­ser bei­den Qua­dran­ten be­fin­den, sind prä­de­sti­niert für per­sön­li­che Ge­sprä­che vor Ort und die Rei­se­zeit ist sinn­voll in­ve­stiert.


Was gilt es zu be­spre­chen?


Lie­fe­ran­ten aus Qua­drant I «Stra­te­gi­scher Lie­fe­rant» müs­sen be­son­ders ge­pflegt wer­den. Sie sind sehr re­le­vant für un­ser Un­ter­neh­men und ein wich­ti­ger Teil un­se­rer Wert­schöp­fungs­ket­te. Es gilt, bei die­sen Lie­fe­ran­ten Lo­gi­stik- und Qua­li­täts­part­ner­schaf­ten auf­zu­bau­en und – wo mög­lich – auch Ent­wick­lungs­ko­ope­ra­tio­nen ein­zu­ge­hen, um auf tech­ni­scher Ebe­ne zu­sam­men­zu­ar­bei­ten.


Eben­so gilt es, ein Ge­fühl für un­se­ren Stel­len­wert als Kun­de im Ge­samt­kon­text des Lie­fe­ran­ten zu ent­wickeln. Wel­chen Um­satz­an­teil neh­men wir am Ge­samt­um­satz des Un­ter­neh­mens ein? Sind wir ein stra­te­gisch wich­ti­ger Kun­de (Key-Ac­count) oder nur ei­ner von vie­len Kun­den oh­ne nen­nens­wer­ten Ein­fluss auf die Pro­zes­se des Lie­fe­ran­ten?

Min­de­stens für ei­nen er­sten Kon­takt und ei­nen er­sten Ein­blick ist ein Mee­ting beim Lie­fe­ran­ten vor Ort den Vi­deo­kon­fe­ren­zen vor­zu­zie­hen.


Tipp: Nimm Per­so­nen aus dem Ein­kauf und der Pro­dukt­ent­wick­lung mit auf die Rei­se.


Mit Lie­fe­ran­ten aus Qua­drant III «Eng­pass-Lie­fe­rant» ist es not­wen­dig, ei­nen ak­ti­ven In­for­ma­ti­ons­aus­tausch zu pfle­gen. Ein Grund kann sein, dass wir für den Lie­fe­ran­ten un­be­deu­tend sind, z.B. weil wir klei­ne Stück­zah­len ein­kau­fen. Die klei­nen Ein­kaufs­vo­lu­men  ga­ran­tie­ren oft­mals kei­ne au­to­ma­ti­schen und stan­dar­di­sier­ten Her­stel­lungs- und Be­lie­fe­rungs­pro­zes­se.


Um die ge­for­der­ten Lie­fer­zei­ten im Griff zu be­hal­ten und Lie­fer­aus­fäl­le zu ver­hin­dern, ist hier ein ak­ti­ves Ma­nage­ment und ein ak­ti­ver Kon­takt mit dem Lie­fe­ran­ten er­for­der­lich.


Mit­tel­fri­sti­ge Mass­nah­me: Ei­ne ge­mein­sa­me und sy­ste­ma­ti­sche Ana­ly­se des Wert­stroms in­klu­siv der Lie­fer­ket­te kann hel­fen, Ri­si­ken zu er­ken­nen, um sie dann zu ak­tiv zu ma­na­gen oder zu op­ti­mie­ren. Der Grund­satz aus dem Qua­li­täts­we­sen «sich selbst ein Bild ma­chen» trifft hier im be­son­de­ren Mas­se zu.


Mit Lie­fe­ran­ten aus Qua­drant III muss ein wei­te­res Ziel ver­folgt wer­den: lang­fri­sti­ge Ver­trä­ge zu Lie­fe­run­gen, Ver­sor­gungs­si­che­rung und auch zur Qua­li­täts­si­che­rung ver­ein­ba­ren. Stan­dard­ver­trä­ge ha­ben hier kei­nen Platz. Die­se in­di­vi­du­el­len, pro­dukt­spe­zi­fi­schen Ver­trä­ge be­din­gen per­sön­li­che Ge­sprä­che und ein ge­gen­sei­ti­ges Ver­ständ­nis für die in­ter­nen Pro­zes­se.  


Die­se Lie­fe­ran­ten ber­gen oft in­di­vi­du­el­le Ri­si­ken, wel­chen mit in­di­vi­du­ell ge­trof­fe­nen Mass­nah­men (Si­cher­heits­be­stän­de, Ver­trä­ge, Know-how-Si­che­rung, Über­nah­me­mög­lich­kei­ten, …) be­geg­net wer­den muss.


Tipp: Nimm Dei­nen Ein­käu­fer oder Dis­po­nen­ten, Le­an Ma­na­ger oder Mit­ar­bei­ten­de aus der Qua­li­täts­si­che­rung mit auf die Rei­se.
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Check 2 (für be­stehen­de Lie­fe­ran­ten): Wel­che Lie­fe­ran­ten per­for­men nicht?

Die lau­fen­de Lie­fe­ran­ten­be­wer­tung ist ei­nes der wich­tig­sten Werk­zeu­ge im Lie­fe­ran­ten­ma­nage­ment. Die Trans­pa­renz über die Per­for­mance von Lie­fe­ran­ten ist ent­schei­dend, um ziel­füh­rend kor­ri­gie­ren­de Mass­nah­men zu er­grei­fen oder Lie­fe­ran­ten, wel­che sehr gut per­for­men, in An­ge­bots­pro­zes­sen zu be­vor­zu­gen.


Fol­gen­de Kri­te­ri­en soll­ten zur re­gel­mäs­si­gen Lei­stungs­über­wa­chung von Lie­fe­ran­ten an­ge­wen­det wer­den:


  • An­lie­fer­qua­li­tät / Feh­ler­häu­fig­keit
  • Ter­min­treue, ggf. er­wei­tert um die Men­gen­treue
  • Sub­jek­ti­ve Be­wer­tung von Zu­sam­men­ar­beit / Ser­vice
  • Wirt­schaft­lich­keit (z.B. Preis­ni­veau und In­itia­ti­ven zur Ko­sten­re­duk­ti­on)


Wenn die de­fi­nier­ten Zie­le in den je­wei­li­gen Kri­te­ri­en nicht er­reicht wer­den, sind Mass­nah­men zur Ver­bes­se­rung der Si­tua­ti­on an­ge­bracht. Be­währt hat sich hier ein mehr­stu­fi­ges Es­ka­la­ti­ons­mo­dell.

Stu­fe 1: Das klä­ren­de Ge­spräch - Un­ter der Ana­ly­se von Ur­sa­chen und be­reits ge­trof­fe­nen Mass­nah­men.

Im Ge­spräch wird be­ur­teilt, ob be­reits ge­trof­fe­ne Mass­nah­men wirk­sam sind. Zu­sätz­li­chen Mass­nah­men wer­den im Ge­spräch de­fi­niert.



Stu­fe 2: Das Lie­fe­ran­ten­au­dit – Klä­ren­de Ge­sprä­che wa­ren nicht er­folg­reich, die Mass­nah­men ge­nü­gen nicht, um den Miss­stand zu be­he­ben.

Pla­ne zu­sam­men mit wei­te­ren Fach­per­so­nen aus dem Un­ter­neh­men ein Au­dit vor Ort. Über­prü­fe im Rah­men des Au­dits, ob Ver­trags­be­din­gun­gen und be­spro­che­ne Ab­läu­fe ein­ge­hal­ten wer­den. Dies kann As­pek­te der Her­stell- und Lo­gi­stik­pro­zes­se, den Um­gang mit Feh­lern bis hin zur Ein­bin­dung der Un­ter­lie­fe­ran­ten und Wei­ter­ga­be von An­for­de­run­gen be­inhal­ten.  



Stu­fe 3: Der Qua­li­täts­zir­kel – Der Lie­fe­rant ist nicht in der La­ge, die Miss­stän­de aus dem Au­dit selbst zu be­he­ben.

Möch­ten wir am Lie­fe­ran­ten im Sin­ne der part­ner­schaft­li­chen Lie­fe­ran­ten­ent­wick­lung fest­hal­ten, be­nö­tigt der Lie­fe­rant nun die vol­le Un­ter­stüt­zung in Form von Be­ra­tung und per­so­nel­len Kom­pe­ten­zen vor Ort. Die Stär­kung der Qua­li­täts­prü­fung, Op­ti­mie­rung der Her­stell- oder Be­schaf­fungs­pro­zes­se oder die der Lo­gi­stik kön­nen Hand­lungs­fel­der sein.



Wich­tig bei al­len Mass­nah­men:


  • Kurz­zy­kli­sche schrift­lich ver­ein­bar­te Zie­le
  • Mo­nat­li­cher Aus­tausch zum Stand der Din­ge
  • Re­gel­mäs­si­ge Ziel­be­wer­tung

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Check 3 (Neue Lie­fe­ran­ten): Aus­wahl neu­er Lie­fe­ran­ten

Ob und wel­cher Lie­fe­rant neu ins Port­fo­lio auf­ge­nom­men wird, be­stim­men meh­re­re Fak­to­ren und in den mei­sten Fäl­len die ab­ge­ge­be­ne Of­fer­te des Lie­fe­ran­ten.


In ei­nem er­folg­rei­chen Lie­fe­ran­ten­ma­nage­ment löst ein neu­er Lie­fe­rant ei­ne Rei­he von ri­si­ko­mi­ni­mie­ren­den Mass­nah­men aus. Die Lie­fe­ran­ten­be­ur­tei­lung und die Lie­fe­ran­ten­selbst­aus­kunft hel­fen uns, den neu­en Part­ner ein­zu­schät­zen.


As­pek­te, wie z.B. die Kre­dit­wür­dig­keit, die Un­ter­neh­mens­struk­tu­ren, gül­ti­ge ISO 9001 / 14001 oder an­de­re Zer­ti­fi­zie­run­gen, kön­nen oh­ne di­rek­ten Kon­takt ab­ge­fragt wer­den.


Für stra­te­gisch wich­ti­ge Lie­fe­ran­ten soll­te zu­sätz­lich ei­ne de­tail­lier­te Be­ur­tei­lung statt­fin­den, wel­che idea­ler­wei­se vor Ort oder durch ei­ne Selbst­ein­schät­zung des Lie­fe­ran­ten er­fol­gen kann.


Fol­gen­de Kri­te­ri­en soll­test Du be­ur­tei­len:


  • Pro­duk­ti­on (Zu­stand Ein­rich­tun­gen/An­la­gen, Pro­duk­ti­ons­sy­stem, Ma­te­ri­al­fluss, In­stand­hal­tung, Qua­li­fi­ka­ti­on der Be­schäf­tig­ten, Fä­hig­keit kurz­fri­sti­ger Ka­pa­zi­täts­an­pas­sung Ar­beits­platz­or­ga­ni­sa­ti­on und Ar­beits­si­cher­heit, …)
  • Qua­li­täts­ma­nage­ment (Kenn­zah­len­er­fas­sung, Prüf­pla­nung, Ar­beits­pla­nung, Qua­li­täts­ma­nage­ment-Sy­stem für Zu­lie­fer­tei­le, …)
  • Lie­fe­ran­ten­ma­nage­ment und Lo­gi­stik (Ver­ein­ba­run­gen mit Lie­fe­ran­ten, Lo­gi­stik­kon­zept, Lie­fer­häu­fig­keit, Sour­cing, …)
  • In­no­va­ti­ons­kraft/Ent­wick­lung (Auf­wand für For­schung und Ent­wick­lung, Pro­jekt­ma­nage­ment, Ab­si­che­rung Rei­fe­grad, …)
  • Stra­te­gi­sche Aus­rich­tung und wirt­schaft­li­che Sta­bi­li­tät (Un­ter­neh­mens­zie­le, Um­satz/Mit­ar­bei­ter, Ei­gen-/Fremd­fer­ti­gungs­an­teil, Ko­sten­trans­pa­renz, Nach­fol­ge­re­ge­lung, Be­richts­we­sen, Ver­bes­se­rungs­pro­zess, ...)
  • Ethi­sche Kri­te­ri­en (Ein­hal­tung Ge­set­ze, Ver­bot von Kor­rup­ti­on und Be­stechung, Ach­tung der Grund­rech­te der Mit­ar­bei­ten­den, Ge­sund­heit und Si­cher­heit der Mit­ar­bei­ten­den, ...)
  • Nach­hal­tig­keit und Um­welt­schutz (Ein­hal­tung von ge­setz­li­chen Nor­men und Stan­dards, Nach­hal­tig­keits­zie­le, Kreis­lauf­wirt­schaft, nach­hal­ti­ge Lie­fer­ket­ten, …)  


Er­gänzt wer­den die­se un­ter­neh­mens­spe­zi­fi­schen Checks durch pro­dukt­spe­zi­fi­sche Checks. Ei­ne Be­stel­lung von Erst­mu­stern dient zur Über­prü­fung, Si­cher­stel­lung und Do­ku­men­ta­ti­on der Pro­dukt­spe­zi­fi­ka­tio­nen.


Tipp: Schicke Mit­ar­bei­ten­de der Qua­li­täts­si­che­rung/Wa­ren­ein­gangs­prü­fung zur Ab­nah­me der Erst­mu­ster zum Lie­fe­ran­ten vor Ort. Dies hebt die zum Teil sehr for­ma­le Erst­mu­ster­prü­fung auf ein neu­es Le­vel der Qua­li­täts­si­che­rung.

Ha­ben wir Dich neu­gie­rig ge­macht? Möch­test Du mehr zum The­ma wis­sen? Nach­fol­gend ha­ben wir aus­ge­such­te Wei­ter­bil­dun­gen für Dich:

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